Lackschichtdickenmessung an einem blauen Kotflügel in der Werkstatt zeigt mit 985 µm einen extrem hohen Wert an, was als Beweis für dicke Spachtelmasse und einen verschwiegenen Unfallschaden dient.

Verschwiegener Unfallschaden: So bekommen Sie Ihr Geld zurück (selbst bei Gewährleistungsausschluss)

Wird ein Fahrzeug als „unfallfrei“ verkauft, stellt dies eine wesentliche wertbildende Eigenschaft dar. Stellt sich nachträglich heraus, dass das Auto entgegen der Zusage einen erheblichen Vorschaden hatte, ist der Ärger groß. Doch Käufer sind nicht schutzlos: Neben der Gewährleistung ist oft die Anfechtung wegen Irrtums der effektivste Weg, um den Kaufvertrag rückabzuwickeln – und das funktioniert oft auch dann noch, wenn die Gewährleistung im Vertrag ausgeschlossen wurde.

In meiner Kanzlei erlebe ich oft folgendes Szenario: Ein Mandant kauft einen Gebrauchtwagen im Vertrauen auf die Zusage „unfallfrei“. Monate oder Jahre später – etwa beim § 57a-Pickerl oder einem Werkstattbesuch – kommt die böse Überraschung: Unter dem Lack findet sich Spachtelmasse, Schweißnähte sind nicht original oder der Kotflügel wurde stümperhaft getauscht. Rechtlich liegt hier eine massive Diskrepanz zwischen dem vertraglich vereinbarten Zustand und der Realität vor. Wir fordern in solchen Fällen für unsere Mandanten die Rückabwicklung.

Wann ist ein Auto ein „Unfallwagen“?

Nicht jeder Kratzer macht ein Auto juristisch zum Unfallwagen. Die österreichische Rechtsprechung zieht hier eine klare Grenze:

  • Bagatellschäden: Leichte Lackschäden oder oberflächliche Kratzer („Parkrempler“), die ohne Spachteln oder Schweißen behoben werden können, müssen vom Verkäufer oft nicht ungefragt offenbart werden.
  • Offenbarungspflichtige Schäden: Sobald Teile getauscht, Bleche verformt oder Richtbankarbeiten nötig waren, handelt es sich um einen Unfallwagen. Wird ein solches Fahrzeug als „unfallfrei“ oder „Top gepflegt“ verkauft, liegt eine Irreführung über eine wesentliche Eigenschaft vor.

Der Hebel für Ihr Geld: Die Irrtumsanfechtung (§ 871 ABGB)

Viele Käufer glauben, sie hätten keine Chance, weil die Gewährleistung abgelaufen ist oder ausgeschlossen wurde. Das ist oft falsch. Das schärfste Schwert in diesen Fällen ist das Irrtumsrecht. Wenn Sie das Auto im Glauben gekauft haben, es sei unfallfrei, unterlagen Sie einem Irrtum über eine wesentliche Eigenschaft. War dieser Irrtum für den Kauf entscheidend (hätten Sie den Unfallwagen also gar nicht oder nur viel billiger gekauft), können wir den Vertrag anfechten.

Die Rechtsfolge: Der Vertrag wird gerichtlich aufgehoben (ex tunc). Sie geben das Auto zurück, der Verkäufer muss Ihnen den vollen Kaufpreis (abzüglich eines Benützungsentgelts) plus 4% Zinsen zurückzahlen.

Warum der Gewährleistungsausschluss hier nicht gilt

Das ist der entscheidende strategische Vorteil der Irrtumsanfechtung gegenüber der normalen Gewährleistung:

  • Beim Händler: Händler verkürzen die Gewährleistung bei Gebrauchten meist zulässigerweise auf 1 Jahr. Finden Sie den Schaden nach 13 Monaten, winken viele Händler ab.
  • Beim Privatkauf: Private Verkäufer schließen die Gewährleistung im Vertrag meist gänzlich aus („Gekauft wie besichtigt“).

Hier greift § 871 ABGB: Ein Gewährleistungsausschluss deckt in der Regel keine Eigenschaftszusicherungen ab

Wenn Ihnen jemand „unfallfrei“ zusagt (im Inserat oder Vertrag), können Sie sich auf diesen Irrtum auch dann berufen, wenn die Gewährleistung vertraglich ausgeschlossen wurde.

Achtung Frist: Die 3-Jahres-Regel

Während die Gewährleistung oft schon nach einem Jahr endet, haben Sie beim Irrtum länger Zeit. Das Recht auf Anfechtung wegen Irrtums verjährt gemäß § 1487 ABGB binnen drei Jahren ab Vertragsabschluss.

Wer den Schaden also erst nach zwei Jahren entdeckt, kann über das Irrtumsrecht oft noch erfolgreich klagen, während die Gewährleistung längst erloschen wäre.

Hinweis: Nach Ablauf der drei Jahre ist eine Anfechtung nur noch möglich, wenn wir dem Verkäufer Arglist (bewusste Täuschung) nachweisen können. Hier beträgt die Frist 30 Jahre.

Beweisführung: Wie wir den Betrug aufdecken

Behauptungen reichen vor Gericht nicht. Wir müssen den Vorschaden beweisen. Als Anwalt und gelernter Kfz-Mechaniker empfehle ich Ihnen folgende Vorgehensweise:

  • Lackschichtdickenmessung: Ein gesundes Auto hat im Originalzustand meist eine Lackdicke von ca. 100 bis 160 Mikrometern. Werte ab ca. 200 deuten auf Nachlackierungen hin. Werte von 500 oder 1000 Mikrometern sind hingegen der Beweis für Spachtelmasse unter dem Lack.
  • Spaltmaße & Schweißpunkte: Unregelmäßige Abstände oder fehlende Original-Schweißpunkte sind Indizien für massive Reparaturen.
  • Vertragsanalyse: Speichern Sie das Inserat und die Korrespondenz mit dem Verkäufer als Beweis für die Zusage der Unfallfreiheit.

Fazit: Handeln Sie sofort

Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihr „unfallfreies“ Auto in Wahrheit ein Unfallwagen ist, lassen Sie sich nicht mit Ausreden abspeisen. Egal ob Händler oder Privatperson: Wer falsche Tatsachen vorspiegelt, muss dafür geradestehen.

Kostenlose Ersteinschätzung

Kontaktieren Sie mich für eine kostenlose Ersteinschätzung. Ich prüfe Ihren Kaufvertrag und sage Ihnen, ob wir Ihr Geld zurückholen können.

Mag. Patrick Maydell, LL.M.

Rechtsanwalt

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